Harzer Volksstimme vom 20.08.2020 – Artikel von Holger Manigk
Sie ist einzigartig in Sachsen-Anhalt, auf ihr haben Olympia-Sieger wie Toni Eggert und Tatjana Hüfner das Rodel-Abc gelernt. Doch Schierkes Rodelbahn ist marode. Nun ist alles klar für den Baustart eines neuen Eiskanals am Barenberg.
Schierke l Auf diesen Tag haben Rodler und Bobfahrer im ganzen Ostharz jahrelang sehnlichst gewartet: In der Schierker Baude sind am Mittwoch die Bauverträge für die neue Rodelbahn des Brockenortes unterzeichnet worden. Anfang September sollen die ausführenden Firmen mit den Erdarbeiten am Barenberg beginnen.
Der Weg bis zu diesem Ziel war ein steiniger, erinnert sich Jörg Augustin. Der Geschäftsführer des Kreissportbundes blickt weit zurück: „2015 gab es erste Gespräche mit dem Landkreis, der Stadt Wernigerode und dem Landessportbund.“ Bis zum November 2019 – als der Fördergeld-Bescheid des Landes Sachsen-Anhalt für die Hälfte der Gesamtkosten von 683 000 Euro eintraf – war die Finanzierung schließlich geklärt.
Über Sven Ungethüm vom Ingenieurbüro Weber kam schließlich der Kontakt zum renommierten Leipziger Ingenieurbüro Gurgel + Partner zustande – „einer von zwei Firmen in Deutschland, die solche hochkomplexen Anlagen planen können“, wie Augustin sagt. Das Unternehmen hat unter anderem sieben olympische Bob-, Rodel- und Skeletonbahnen von Calgary 1988 bis Sotschi 2014 designt und ist federführend bei der Modernisierung des Eiskanals im sächsischen Altenberg.
Für Schierke haben die Spezialisten bis Mitte Mai an den Plänen gearbeitet – und sich etwas Besonderes einfallen lassen: In Geraden und Innenseiten der Kurven soll die neue Bahn nicht aus Beton, sondern Kunststoff-Banden auf einer Stahlstruktur bestehen. „Damit können wir beim Bau erheblich sparen“, erläutert der Chef des Kreissportbundes.
Denn von finanziellen Zwängen sei das ganze Projekt geprägt: „Die ersten Angebote, die wir von Baufirmen für unsere ursprünglichen Pläne bekamen, lagen weit über einer Million Euro – nicht stemmbar mit unserem Budget.“
Deshalb verzichten die Planer nun auf einen Handlauf an der Rinne, Start- und Zielhaus. „Das kann später nachgerüstet werden und kostet uns 100 000 Euro weniger“, sagt Augustin. Mit den Experten der beiden ausführenden Baufirmen Stratie sowie Umwelttechnik und Wasserbau (U&W) aus Blankenburg habe man zudem weitere Sparpotenziale ausgelotet. „Sie sind bis an ihre Schmerzgrenze gegangen“, so der Projektchef.
Auf das Kompliment entgegnet U&W-Geschäftsführer Jörn Frankenfeld: „Wir kennen Schierke von anderen Baustellen wie der Arena, wir kennen die Anwohner – wir freuen uns auf das Projekt“. Wann die ersten Rodler, Bobfahrer und Skeletonis den neuen Eiskanal her-absausen können, hänge vor allem vom Wetter ab, ergänzt Dirk Klaus. „Bei einem frühen Wintereinbruch mit Schnee und Frost sind Betonarbeiten unmöglich – zumal bei der Bahn höchste Präzision und großer manueller Aufwand gefragt sind“, so der Chef des Schierker Rodel- und Bobsportvereins.
Dieser teilt sich den Eigenanteil von 90 000 Euro mit den Rodelclubs aus Ilsenburg und Blankenburg. Die Vereine erhalten Unterstützung von fast 20 Sponsoren aus der ganzen Region. Dazu steuert der Landkreis Harz 150 000 Euro bei, die Stadt Wernigerode 50 000 Euro. Vom Bob- und Schlittenverband für Deutschland kommt Geld für Zeitmess- und Startanlage sowie Lichttechnik.
Damit wird für Augustin – und die Harzer Wintersportler – ein lange gehegter Traum wahr: „Schon zu DDR-Zeiten, als ich noch Rodeltrainer war, haben wir uns eine gute Bahn gewünscht – damit der Sport weiterleben kann“. Doch jahrelang sei daraus nichts geworden. Nach 2010 habe sich die alte Schierker Bahn aus verwitterten Betonteilen und maroden Holzplanken in katas-trophalem Zustand befunden. „Wir standen schließlich vor nur noch zwei Alternativen: Schließung oder Restaurierung.“
Kommentar von Holger Manigk:
Eine Region für ihren Sport
Zugegeben, der Rodel- und Bobsport fristet in vielen Gegenden Deutschlands ein Nischendasein, rückt allenfalls zu olympischen Spielen in den Fokus der Öffentlichkeit. Doch für eine Wintersport-Region wie den Harz ist er identitätsstiftend. Das zeigt sich beim Bau der neuen Anlage in Schierke: Jede Menge Sponsoren für das Projekt, Hilfe von Stadt, Land und Sportbund. Dazu vor allem drei Vereine, die an einem Strang ziehen, um gemeinsam die stolze Summe des Eigenanteils zu stemmen, die keiner von ihnen allein aufbringen könnte.
Dieses Zusammenrücken ist bitter nötig: Sonst bliebe den Eggerts und Hüfners von morgen meist nur Hallentraining oder „Sommerrodeln“ auf der Auffahrt zur Burg Regenstein in Blankenburg – oder weite Fahrten zu den Bahnen nach Oberhof und Winterberg. Die Investition in das inzwischen etwas abgespeckte Mammutprojekt ist alternativlos. Wenn sich dann noch ein paar Touristen den Eiskanal hinabwagen und sich für den Sport begeistern, umso besser.